Wahrheit.
Vor
langer Zeit - im letzten Jahrhundert oder so - lebte in einem kleinen
russischen Dorf ein Mann, der als Kind manches etwas langsamer gelernt
hatte als andere Kinder. Deshalb kam man im Dorf zu dem Schluss, er sei
etwas dumm. Und das sagte man ihm auch bei jeder passenden und
unpassenden Gelegenheit. Der Mann bemühte sich sehr, alles genau so zu
machen und zu sagen wie seine Mitdörfler, aber je mehr er sich bemühte,
desto mehr nahmen sie seine Bemühungen als Beweis, dass er eben dumm,
kurz: ein Trottel, sei. Sie lachten ihn aus und hänselten ihn. Der Mann
konnte das nicht verstehen: Er machte doch alles genau so wie die
Anderen und trotzdem wurde er immer nur wie ein Trottel behandelt.
Eines
Tages kam ein Heiliger auf Wanderschaft in das Dorf. Er unterhielt sich
mit den Dorfbewohnern über Sorgen und Nöte, Gott und die Welt. Die
Dorfbewohner waren sich einig, dass dies ein wirklich weiser Mann war.
Da fasste sich unser Dorftrottel ein Herz und er sprach den Fremden im
Vertrauen an. Er schilderte ihm sein Problem, was seinen Mitdörfler von
ihm dachten und wie sie ihn behandelten.
Der
Heilige hörte sich die Geschichte an, sah den "Dorftrottel" intensiv an
und sprach: "Das ist leicht zu ändern. Du musst nur Folgendes tun:
Jedesmal, wenn ein Dorfbewohner mit dir spricht und dabei eine Aussage
macht oder von einer Erfahrung berichtet, dann antworte: 'Das glaube ich
nicht, beweise es mir!' oder 'Wie kannst du dir dessen sicher sein?'"
Der
Heilige fuhr nach kurzer Pause fort: "Der Witz an der Sache ist: Diese
Fragen sind nicht zu beantworten. Es gibt nichts zu beweisen. Wenn
jemand zu dir sagt: 'Heute ist aber ein schöner Frühlingsmorgen', und du
sagst: 'Beweise mir, dass der Morgen schön ist! Woher willst du wissen,
dass das wahr ist?', dann wird dieser Mensch verstummen und sich
beschämt fühlen, denn er kann es nicht beweisen. Und wenn jemand sagt:
'Die Rosen duften wunderbar!', dann sagst du einfach wieder: "Beweise es
mir, dass die Rosen wirklich wunderbar duften.' Die Leute werden sich
dir automatisch unterlegen fühlen."
Der
Heilige überzeugte sich noch, dass unser "Dorftrottel" die Sache
richtig verstanden hatte, dann sagte er: "Ich reise morgen weiter.
Nächstes Jahr will ich wieder hier im Dorf sein, dann berichte mir, wie
sich die Sache angelassen hat."
Ein
Jahr später war der Heilige wieder im Dorf. Der ehemalige Dorftrottel
war jetzt der Einberufende des Dorfrates und wurde wegen seines großen
Wissens und seiner Weisheit von vielen Dorfbewohnern um Rat gefragt -
kurz: er genoss ein großes Ansehen. Zu dem Heiligen aber sprach er:
"Es
ist komisch: Letztes Jahr war ich noch der Dorftrottel, jetzt gelte ich
als weise. Ich habe alles befolgt, was du mir geraten hast. Und dabei
bin ich doch noch derselbe Mensch! Das alles nur, weil ich die Menschen
immer wieder auffordere, mir zu beweisen, dass die Dinge wirklich so
sind, wie sie sie erleben. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach
ist."
Da sah ihn der Heilige lange an und sprach dann endlich: "Was glaubst du, wie ich ein Heiliger geworden bin?"
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Die
Wahrheit zog traurig durch die Lande. «Die Menschen haben Sehnsucht
nach mir, sie suchen die Wahrheit. Aber wenn ich dann komme, haben sie
Angst und fürchten die Wahrheit. Ich bin so nackt, und die Leute
flüchten sich in ihre Häuser, wenn ich durch die Strassen gehe.» Eines
Tages traf die Wahrheit die Liebe. Sie war wie ein buntes warmes Kleid,
und die Leute liefe ihr nach und luden sie zu sich in ihre Häuser ein.
Die
Liebe sah die Wahrheit so traurig und verbittert stehen und sprach sie
an: «Sage mir, gute Freundin Wahrheit, warum bist du so bedrückt und
betrübt?» Die Wahrheit antwortete der Liebe: «Ach, es geht mir nicht
gut. Ich bin alt, und die Leute wollen mich nicht in ihr Leben lassen.»
«Nicht weil du alt bist, mögen dich die Leute nicht leiden. Ich bin auch
sehr alt, und die Menschen lieben mich immer noch. Ich verrate dir ein
Geheimnis. Du bist den Menschen unheimlich, weil du so nackt bist.
Kleide dich mit meiner Wärme und Farbenpracht. Lege um deinen Schatz der
Wahrheit den Mantel der Liebe, und die Menschen werden dich willkommen
heissen. Die nackte Wahrheit ist für die Menschen ebenso furchtbar wie
eine unehrliche Liebe. Wir beide brauchen einander. Denn eine
aufrichtige Liebe und eine liebevolle Wahrheit sind die Quellen des
Lebens und der Freude.» - Die Wahrheit befolgte den Rat der Liebe und
legte sich die warmen Kleider der Liebe um. Seitdem sind sie beide den
Menschen willkommen. Das ist die Not unter den Menschen: Es gibt
soviel Wahrheit ohne Liebe und soviel Liebe ohne Wahrheit. Und das ist
das Glück: In Jesus ist die ganze Wahrheit über uns, die Welt und Gott
mit der ganzen Liebe zu uns, der Welt und dem Leben verbunden.
«Die Liebe freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt.»
Quelle: Axel Kühner, Überlebensgeschichten für jeden Tag, Aussaat Verlag |
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Die drei Siebe des Sokrates
von
http://metaphern.blog.de/2010/02/01/drei-siebe-sokrates-7916925/
Ganz aufgeregt kam ein Mann zu Sokrates gerannt: „Sokrates, ich muss dir etwas erzählen. Dein Freund…“
Sokrates unterbrach ihn: „Halt!“ Der Mann war überrascht.
„Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe geschüttet?“, fragte Sokrates.
„Drei Siebe?“, fragte der Mann verwundert.
„Richtig, drei Siebe! Lass uns prüfen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe geht. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Ist das wahr, was du mir erzählen willst?“
„Nein, ich habe es selber erzählt bekommen und...“
„Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte. Wenn es schon nicht wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es wenigstens gut?“
Zögernd antwortete der Mann: „Nein, im Gegenteil...“
„Dann", unterbrach ihn Sokrates, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden. Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen, was dich so aufgeregt sein lässt?“
"Wichtig ist es nicht und notwendig auch nicht unbedingt.“
„Also mein Freund“, lächelte Sokrates, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit."
Wobei sich die Frage immer noch stellt: Was ist Wahrheit?
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